Der erste Teil der Bibel – das so genannte „Alte Testament“ hilft die Geschichte mit Jesus zu verstehen.
Eine dieser Deutungshilfen ist zugleich sehr alt und dennoch aktuell. Das Alte Testament erzählt vom großen Versöhnungstag, einem Ritual, das regelmäßig in Israel gefeiert wurde
(vgl. 3. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 21). Einem jungen Bock wird symbolisch die Schuld Israels aufgeladen. Dann jagt man den „Sündenbock“ in die Wüste. Nun ist neue Gemeinschaft mit Gott möglich, weil die trennende Sünde ausgegrenzt und weggetragen wurde.
Auf uns mag dieses Ritual befremdlich wirken, wie aus einer anderen Welt. Das alte Israel war uns an diesem Punkt aber voraus. Mobbing heißt dieser Vorgang in unserer Gesellschaft, der zahlreiche Opfer fordert. Weil jemand etwas anders ist als die anderen, werden alle destruktiven Energien auf ihn abgeschoben. Das stärkte das Gruppengefühl enorm. Denn Macht macht mächtig Spaß. Die Logik ist grausam: Wir leben auf Kosten eines Opfers, das wir über die Klinge springen lassen.
Und plötzlich ahnen die ersten Christen beim Lesen der Geschichte vom
„großen Versöhnungstag“
Jom Kippur – der Tag der Versöhnung zwischen Mensch und Gott ist der höchste Feiertag im jüdischen Festkalender und geht zurück auf einen Abschnitt aus dem dritten Buch Mose Kapitel 23, Verse 27-32.
: Vielleicht dürfen wir von Ostern her auch das Sterben von Jesus als Gottes großen Versöhnungstag mit seiner Welt verstehen. Jesus beendet das grausame Spiel der Gewalt, indem er sich selbst zum Sündenbock machen lässt, den Menschen mit ihrer destruktiven Energie, ihrer Schuld beladen. Der Kreislauf von Täter und Opfer wird durchbrochen.
Statt Gewalt und Tod ist Versöhnung angesagt. So sehr lässt Gott sich auf diese Welt ein, so tief kommt Gott zu uns herunter. So viel bedeuten wir Gott offenbar, dass er sich selbst in Jesus zum Sündenbock für das macht, was wir „verbockt“ haben.